1868 Gründung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins in Braunschweig
Das Versammlungs- und Vereinsrecht verblieb über die Reichsgründung 1871 hinaus bei den Landesregierungen und wurde erst 1908 mit dem Reichsvereinsgesetz vereinheitlicht. Braunschweigs rechtliche Regelungen stammten noch aus der Reaktionszeit nach der gescheiterten Revolution von 1848 und wurden so hart gehandhabt, wie in kaum einem anderen deutschen Staat: Kindern, Schülern, Lehrlingen, Frauen und Personen, die die bürgerlichen Ehrenrechte verloren hatten, war verboten, an politisch-öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen oder politischen Vereinen beizutreten.
Nur zwei Tätigkeitsfelder waren den bürgerlichen Frauenvereinen vorbehalten: Wohltätigkeits- und Bildungsförderung. Folgerichtig wurde 1868 der braunschweigische Lokalverein des "Allgemeinen Deutschen Frauenvereins" als Frauenbildungsverein gegründet, der bei der Gründung 25 Mitglieder zählte. Ein Jahr später war die Zahl auf 130 angestiegen. Die Gründungs- und Vorstandsfrauen rekrutierten sich aus der tonangebenden, großbürgerlichen Schicht. Anpassung war angesagt, jede ernsthafte Konfrontation sollte vermieden und die tradierten Werte und Normen der Frauenrolle nicht wirklich angetastet werden.
Da die industrielle Frauenerwerbstätigkeit im Herzogtum seit 1875 steil anstieg, versuchten auch proletarische Frauenvereine, sich in den 1880er Jahren, als berufliche Interessenvertretung zu gruppieren. Gegen diese gingen Polizei und Behörden mit besonderer Härte vor, aus Angst, sie würden die Sozialdemokratie stärken. Nach Aufhebung des Sozialistengesetzes 1890 gewann die gewerkschaftliche Organisation der Arbeiterinnen aber an Bedeutung und mit dem Reichsvereinsgesetz von 1908 begann die parteipolitische Integration der Frauen in der SPD. Schon ein Jahr zuvor hatten sich die 30 hiesigen Frauenvereine zum "Bund der Frauenvereine im Herzogtum Braunschweig" zusammengeschlossen, ab 1918 umbenannt in "Bund der Frauenvereine im Freistaat Braunschweig“. Nach 1933 wurden die proletarischen und sozialistischen Vereine zwangsaufgelöst und verboten. Die bürgerlichen Vereine schaltete man im nationalsozialistischen „Bund Deutscher Frauenvereine (BDF)“ gleich, nachdem man sie genötigt hatte, ihre jüdischen Mitglieder auszuschließen.
Quelle: Pollmann, Birgit, "Zur Situation der Frauen im Herzogtum Braunschweig zwischen der Reichsgründung und dem Ersten Weltkrieg", in: Pöls/Pollmann (Hrsg.), "Moderne Braunschweigische Geschichte“ Verlag Georg Olms, Hildesheim 1982, ISBN-13: 978-3487073163
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