1890 Beginn der unterirdischen Entwässerung der gesamten Stadt
Mit der Industrialisierung stieg Braunschweigs Bevölkerungszahl an und in einzelnen Zweigen entstanden industrielle Abwässer. Deren Menge überschritt die Entsorgungskapazitäten der Flüsse. 1886 legte Louis Mitgau einen Plan zur Stadtentwässerung vor, der bis 1896 realisiert wurde. Die Abwässer werden seither nach Steinhof gepumpt und dort nach dem jeweils neuesten technischen Stand behandelt. Seither hat sich die Wasserqualität in Braunschweig deutlich verbessert und es sind keine vermeidbaren Seuchen wie Pest und Cholera mehr aufgetreten. Weiter lesen...
Das Jahr 1838 steht für den Beginn des Eisenbahnverkehrs ( ↑ BZS 1838 ) und der Industrialisierung der Stadt Braunschweig, verbunden mit einem deutlichen Anstieg der Einwohnerzahl. Bei unter 40.000 Einwohnern gelang es 1838 noch, die Abwässer durch Einleitung in die Oker und ihre Nebenflüsse zu entsorgen. Die Abwassermenge vergrößerte sich aufgrund der Zunahme der Bevölkerung, der Verbreitung von Wasserklosetts und der Menge von Industrieabwässern, hier voran von der Zuckerindustrie und dem Kalibergbau im Harz. Die Kapazität der Flüsse war überschritten und es kam zu unerträglichen Geruchsbelästigungen, aber schlimmer noch zu einer gesundheitsgefährdenden Verschlechterung der Frischwasserqualität in den Brunnen. Krankheiten und Seuchen waren die Folge ( ↑ BZS 1850 ).
Um die Geruchsbelästigung zu mindern, baute man zwar ab den 1820er Jahren Kanäle oder deckte einzelne Flussläufe ab, es gab aber keine Pläne für ein wirkungsvolles Kanalnetz. Erst 1886 legte der Städtische Oberingenieur und spätere Baurat Louis Mitgau (1831 - 1912) (↑ BZS 1912) einen Plan für die Kanalisation Braunschweigs vor. Wegen der hohen Kosten scheute der Magistrat aber das Projekt. Erst als eine Wasserreinigungs-Versuchanlage am Augusttor keine grundlegende Abhilfe schaffte, erließ er Anfang 1888 das "Statut, die Entwässerung der Stadt Braunschweig betreffend“. Zwischen 1890 und 1896 baute man nun nach dem Mitgau-Plan ein unterirdisches Kanalisationssystems, an dessen Kosten sich die Hausbesitzer beteiligen mussten. Nach der Fertigstellung wurden die Abwässer der ganzen Stadt über drei Hauptkanäle der zentralen Pumpstation im Eichtal zugeführt und von dort über eine knapp 7 km lange gusseiserne Druckrohrleitung zur Herzoglichen Domäne Steinhof gepumpt. Seit 1954 ersetzt das neue Pumpwerk am Biberweg diese Funktion.
In dem 1895 eingerichtete Rieselgut Steinhof wird die Abwasserbehandlung bis in die heutige Zeit dem technischen Fortschritt angepasst, wie z. B. 1979 durch die Einrichtung einer Abwasser-Vorbehandlungsanlage oder 1992 durch eine Schlammfaulanlage. Dank reichlicher Düngung wurde in Steinhof eine sehr ertragreiche Landwirtschaft betrieben, die allerdings 1970 zugunsten einer noch intensiveren Abwasserbehandlung eingestellt wurde.
Querverweise zur Braunschweiger Zeitschiene:
1838 Erste Deutsche Staatseisenbahn von Braunschweig nach Wolfenbüttel
1850 Choleraepidemie (über 1000 Tote in Braunschweig)
1912 Leben und Wirken von Louis Mitgau (1831 - 1912)
Textquellen:
Radünz, Klaus-Jörg in: Braunschweiger Stadtlexikon, S. 194, J. H. Meyer Verlag, Braunschweig 1992, ISBN 978-3-926701-14-5
100 Jahre Stadtentwässerung BS - Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Rieselgutes Steinhof und des 40-jährigen Bestehens des Abwasserverbandes Braunschweig, Hrsgb.: Stadt BS, Baudezernat, Stadtentwässerung, BS 1995
Pingel, Norman-Mathias in: Braunschweiger Stadtlexikon, Ergänzungsband, S. 94, J. H. Meyer Verlag, Braunschweig 1996, ISBN 978-3-926701-30-7
Vorherige Seite: 1890 Inbetriebnahme der Landeseisenbahn Braunschweig - Derneburg - Seesen
Nächste Seite: 1890 Gründung eines Zweigbetriebes durch Rudolph Karstadt